Die Geschichte des Synthesizers

Dies ist ein Überblick über einige der wichtigsten Meilensteine der Synthesizer-Geschichte.

Die Vorläufer des Synthesizers

Bereits im neunzehnten Jahrhundert bricht das Zeitalter elektronischer Klangerzeugung an. In den Jahren 1896/1897 hat der US-Amerikaner Thaddeus Cahill das Patent für das auch als Dynamophon bekannt gewordene Telharmonium erhalten. Das 200 Tonnen schwere Instrument wurde von zwölf dampfgetriebenen Generatoren angetrieben. Das Ungetüm wurde mit anschlagsdynamischen Tasten in Echtzeit gespielt und konnte in der Tat verschiedene Klänge simultan erzeugen. Das Telharmonium wurde 1906 der Öffentlichkeit in einer Reihe von "Konzerten" präsentiert. Unter dem Namen "Telharmony" wurde die Musik in das noch sehr exklusive öffentliche Telefonnetz eingespeist, da es damals noch keine Lautsprecheranlagen gab.

Im Jahre 1919 wählte der russische Erfinder Lew Termen einen ganz anderen Ansatz. Das nach der französischen Schreibweise seines Namens benannte Theremin ist ein elektronisches Musikinstrument, das gespielt wird, ohne es zu berühren. Es maß die Nähe der Hände des Spielers, die durch ein elektrostatisches Feld zwischen zwei Spielantennen die Parameter Pegel und Frequenz eines Sinustons regulieren konnten. Dieses unorthodoxe Verfahren erschwerte das Spiel sehr. Sein geheimnisvoller, markerschütternder vokalähnlicher Klang findet sich in zahllosen Horror-Film-Soundtracks. Ein gewisser Robert A. Moog baute bereits mit 19 Jahren Theremins. Robert A. Moog sollte später mit der Erfindung des spannungsgesteuerten Synthesizers von sich reden machen.

Der Franzose Maurice Martenot stellte sein Ondes Martenot im Jahre 1928 vor. Die Klangerzeugung auf Basis des sogenannten Schwebungssummers glich der des Theremins, aber die Bedienung erfolgte in seiner ersten Version über einen Draht, den man vor- und zurückziehen musste.

Im Berlin der dreißiger Jahre arbeiteten Oskar Sala und Friedrich Trautwein am Trautonium, das gespielt wurde, indem man einen Draht auf ein Paneel herabdrückte. Die Spielweise ist der eines bundlosen Saiteninstruments nicht ganz unähnlich, auch wenn der Draht keine schwingende Saite ist. Die Kontrolle über die Tonhöhe war aber ganz stufenlos. Sala hat das Instrument sein ganzes Leben lang weiterentwickelt und stellte 1952 das zweistimmige Mixturtrautonium vor. Er hat damit eine Reihe von Industriefilmen vertont, aber auch den gesamten Soundtrack zu Alfred Hitchcocks Meisterwerk "Die Vögel" mit dem Instrument eingespielt. Der Film kommt ohne konventionellen musikalischen Soundtrack aus, aber alle Vogelrufe und die Geräusche der Flügelschläge wurden mit dem Mixturtrautonium eingespielt.

In Kanada begann Hugh Le Caine 1945, seinen "Electronic Sackbut" zu entwickeln. Das Design des monophonen Instruments kam schon nahe an das eines Synthesizers heran, verfügte aber über eine enorm ausdrucksstarke Tastatur, die nicht nur anschlagsdynamisch spielbar war, sondern auch auf Druck und seitliche Bewegungen reagierte.

Die oben vorgestellten Instrumente waren alle in Echtzeit spielbar. Ziemlich früh begann aber auch die Entwicklung von Instrumenten, die Klanggeneratoren mit Sequenzern verbanden. Das erste Instrument dieser Art stammt vom französischen Team Edouard Coupleux und Joseph Givelet im Jahre 1929. Dieses hybride Instrument koppelte eine elektronische Klangerzeugung an eine mechanische Magnetbandsteuerung. Dieses Instrument wurde erstmals inoffiziell "Synthesizer" genannt.

1956 erschien dann der RCA Electronic Music Synthesizer Mark I der US-Amerikaner Harry F. Olson und Herbert Belar. Seine zweistimmige Klangerzeugung bestand aus 12 elektronisch angeregten Stimmgabeln. Erstmals gab es relativ komplexe Signalbearbeitungsfunktionen. Das Ausgangssignal konnte mit Lautsprechern abgehört werden und direkt auf zwei Schallplatten aufgezeichnet werden! Ein einziger Motor trieb beide Plattenspieler und die Steruerungseinheit des Mark 1 an. Der Synthesizer wurde von Lochstreifen ferngesteuert, die eine Kontrolle über Pegel, Frequenz, Timbre und Hüllkurven boten. Das war so kompliziert wie es sich anhört, und von einer Spielbarkeit in Echtzeit war das Instrument weit entfernt.

Die ersten spannungsgesteuerten Synthesizer

Mit Ausnahme des Telharmoniums, das noch vor der Erfindung der Braunschen Röhre gebaut worden war, beruhten diese Instrumente auf Röhren-Schaltungen. Dies machte die Instrumente recht empfindlich und kapriziös. Nach der Erfindung des Transistors in den Jahren 1947/48 war es an der Zeit für kleinere, praktischere und portable elektronische Musikinstrumente.

Ende 1963 traf der amerikanische Erfinder R. A. (Bob) Moog den Komponisten Herbert Deutsch, der Moog anregte, einen spannungsgesteuerten ("voltage-controlled") Oszillator und einen ebenfalls spannungsgesteuerten Regelverstärker (Amplifier) mit einer Tastatur zu kombinieren. Dies führte 1964 zum ersten Prototyp eines spannungsgesteuerten Synthesizers (Voltage-Controlled Synthesizer). Die Zusammenarbeit mit dem deutschen Musiker veranlasste Moog, die Auswahl an Modulen zu erweitern und zu kompletten Systemlösungen auszubauen. Erst im Jahre 1967 nannte Moog dann seine Spezialanfertigungen Synthesizer.

Moogs Leistungen verbreiteten sich per Mundpropaganda und Moog, der die Rückmeldungen seiner Kunden stets analysierte, entwickelte immer neue Module. Wendy Carlos LP "Switched-On Bach" (1968) brachte dann den Durchbruch. Die Schallplatte präsentierte das Potenzial des Moog-Synthesizers und ist zugleich eine der ersten kommerziellen Mehrspurproduktionen. Der Erfolg des Albums eröffnete den Synthesizer einem größeren Publikum, und Moogs Name wurde zum Synonym für den Synthesizer. Viele Studios, Produzenten und Musiker wollten jetzt am Erfolg des Synthesizer-Sounds teilhaben und erwarben Moog-Synthesizer. 1969 arbeiteten bereits 42 Angestellte an der Produktion von zwei bis drei kompletten Modularsystemen pro Woche.

Unabhängig von Moog hat auch der Ingenieur Donald Buchla ein spannungsgesteuertes Synthesizer-Konzept realisiert. Damit lag er zeitlich gleichauf mit Moog. Buchla hat seine Instrumente ebenfalls in enger Kooperation mit Anwendern entwickelt. Die Inspiration für seinen ersten Synthesizer kam von den Komponisten Morton Subotnik und Ramon Sender vom San Francisco Tape Music Center. Obwohl er die Arbeit am Instrument bereits 1963 aufnahm, wurde es erst 1966 vorgestellt. Ihr Design sprach in erster Linie akademische und Avantgarde-Künstler an, sodass ihnen die populäre Karriere der Instrumente Moogs versagt blieb.

Kompakt und günstig

Diese ersten spannungsgesteuerten Synthesizer funktionierten modular. In einem oder mehreren Gehäusen wurden die Netzteile und die eigentlichen Module zusammengefasst. Die Eingänge und Ausgänge der Module mussten mit einem verwirrenden Drahtverhau untereinander verkabelt werden, sonst gab der Synthesizer keinen Pieps von sich. Eine sinnvolle Verkabelung war eine Kunst für sich, und die Einstellung brauchbarer Sounds erforderte ein erhebliches Fachwissen.

Moog erkannte, dass diese modularen Synthesizer zu komplex und teuer für den normalsterblichen Musiker waren und im traditionellen Musikalienhandel fehl am Platze waren. 1969 arbeitete Moog mit den Ingenieuren Jim Scott, Bill Hemsath und Chad Hunt zusammen, um einen kompakten, erschwinglichen, portablen und leicht zu bedienenden Synthesizer zu konstruieren. Nachdem drei Prototypen gebaut waren, wurde der Minimoog Model D im Sommer 1970 vorgestellt.

Anders als frühere modulare Synthesizer war es weder notwendig noch möglich, die Module des Minimoogs von Hand zu verdrahten. Die gesamte Verschaltung der Module war ab Werk fest verdrahtet. Auch die Auswahl und Anzahl der Module war festgelegt. Das erleichterte die Herstellung und die Kosten erheblich. Unterstützt durch gutes Marketing wurde der Minimoog ein beispielloser Erfolg. Ohne Änderungen des Grundkonzepts wurden bis 1981 nicht weniger als 13.000 Minimoogs verkauft.

Speicherung und Polyphonie

Die Kunden waren dennoch nicht ganz zufrieden. Obwohl sich die Musiker nicht länger mit unzähligen Kabeln herumschlagen mussten, um dem Synthesizer einen Ton zu entlocken, waren nach wie vor eine Menge Schalter und Regler einzustellen, wenn man von einem Sound zum anderen wechseln wollte. Zudem konnte man nur einstimmige Linien auf den monophonen Instrumenten spielen, aber als Tasteninstrumentalist möchte man Akkorde spielen. Zwar gab es schon 1970 zweistimmige Tastaturen, aber die Kunden wollten mehr.

Um diesen Ansprüchen zu genügen, wurden zwei Ansätze im Synthesizer-Design verfolgt. Ein Ansatz forderte einen unabhängigen Synthesizer an jeder Taste der Tastatur. Bis dahin wurden nämlich die Konstruktionsprinzipien elektronischer Orgeln auch auf Synthesizer angewandt. Obwohl diese Instrumente voll polyphon spielbar waren – man konnte alle Tasten gleichzeitig drücken, und das Instrument spielte alle Töne – war die Vielseitigkeit eines echten Synthesizers nicht gegeben. Der erste Synthesizer dieser Art war der 1975 vorgestellte Moog Polymoog. Unter der Entwicklungsleitung von David Luce entstand das Keyboard mit 71 gewichteten anschlagsdynamischen Tasten.

Der zweite Ansatz bestand darin, eine Synthesizer-Stimme nur dann einer Taste zuzuordnen, wenn die Taste auch gespielt wird. Das Konzept ist halb-polyphon. Bereits 1973 hat der US-amerikanische Hersteller E-MU Systems das modulare Keyboard "Series 4050" vorgestellt – ein digitales Keyboard, das bis zu zehn monophone Synthesizer ansteuern konnte, das also zehnstimmig polyphon war. Der Haken daran ist offenkundig – so viele Leute hatten keine zehn Synthesizer, und diese alle auf denselben Sound einzustellen und dann ihre Signale zusammenzumischen war ein höchst aufwändiges Unterfangen. Digitale Speicherplätze waren noch nicht erfunden und nur digitale Tastaturen würden die notwendigen Eigenschaften mitbringen, die für halb-polyphone Synthesizer erforderlich sind.

Die Entwicklung der Digitaltechnologie führte irgendwann zu Synthesizern, deren Sounds abgespeichert werden konnten. Ohne den Segen der Digitaltechnologie brachten die Versuche, eine Programmierbarkeit zu realisieren, aberwitzige Lösungen hervor. Ein analoger Synthesizer benötigte dazu einen kompletten Reglersatz für jeden "Speicherplatz"! In diesem Fall führte ein Schalter zu mehreren identischen Paneelen, die dann mit der eigentlichen Klangerzeugung verbunden wurden.

Der erste Synthesizer mit einer Abspeicherung nach diesem Muster war der 1975 vorgestellte Yamaha GX1. Die Bedienungselemente dieser Speicherplätze gerieten so klein, dass sie nur mit Feinmechanik-Werkzeug und sogenannten Programmern und Komparatoren eingestellt werden konnten.

Erst 1978 wurde das Problem befriedigend gelöst. Der fünfstimmig polyphone Prophet-5 des US-Herstellers Sequential Circuits war der erste voll programmierbare Synthesizer. Alle Einstellungen der integrierten fünf monophonen Synthesizer wurden in den 40 Speicherplätzen der ersten Version abgespeichert. Insbesondere wurden aber alle fünf Synthesizer über nur eine Bedienungsoberfläche auf dieselben Sounds eingestellt. Trotz seines anfangs fürstlichen Preises konnten von diesem populären Instrument bis 1985 beachtliche 8.000 Exemplare gebaut und verkauft werden. Zusätzlich zur digitalen Polyphonie und der Programmierbarkeit war es beim Prophet vor allem die hervorragende Qualität der analogen Klangerzeugung, die diesen Erfolg möglich machte.

Digitalsynthesizer

Sogar moderne Synthesizer mit variabler Polyphonie, Programmierbarkeit und komplett digitaler Klangerzeugung folgen diesem halb-polyphonen Ansatz. Die Anzahl der Stimmen, die diese Instrumente erzeugen können, hängt allerdings nicht länger von einer Anzahl eingebauter monophoner Synthesizer ab. Stattdessen hängt die Polyphonie nur von der Prozessorleistung des Computers ab, der in ihnen steckt.

Die atemberaubenden Entwicklungen der Digitaltechnologie können mit dem folgenden Beispiel belegt werden. Das erste Programm, das Klänge ganz durch den Computer berechnet hat, war "Music I" des US-amerikanischen Programmierers Max Mathew. Im Jahr 1957 entwickelt, lief das Programm auf einem Hochschulrechner, einem exorbitant teuren IBM 704. Der Aufwand erlaubte die Berechnung genau einer Dreieckwelle, allerdings nicht in Echtzeit.

Dieser Mangel an Echtzeit-Fähigkeit ist der Grund, warum Digitaltechnologie bei kommerziellen Instrumenten anfangs nur für die Steuerung und Abspeicherung analoger Parameter in Betracht kam. Digitale Steuerelemente kamen erstmals 1971 in der Form des "Digital Sequencer" des Modularsystems "Synthi 100" des englischen Herstellers EMS zum Einsatz. Bei einer Preisgestaltung, die ihn auch für die wohlhabendsten Musiker unerschwinglich machte, erlaubte der Sequenzer des EMS Synthi 100 die Abspeicherung von 256 Events.

Die beständig steigende verfügbare Prozessorleistung erlaubte den Einzug digitaler Technologie in die Klangerzeugung selbst. Der monophone Harmonic Synthesizer des Herstellers Rocky Mountain Instruments (RMI) war das erste Instrument dieser Art. Dieser Synthesizer besaß zwei digitale Oszillatoren, die mit analogen Filtern und Regelverstärkern kombiniert wurden.

Das 1976 vorgestellte Synclavier der New England Digital Corporation (NED) war dann der erste Synthesizer mit komplett digitaler Klangerzeugung. Instrumente wie das Synclavier beruhen auf speziellen Prozessoren, die von den Herstellern selbst entwickelt werden mussten. Dieser Entwicklungsaufwand machte auch das Synclavier zu einer Investition, die sich nur sehr wenige Musiker leisten konnten.

Eine alternative Lösung war der Einsatz von universell nutzbaren Mikroprozessoren von Drittherstellern. Diese Prozessoren, die speziell für Multiplikations- und Akkumulations-Operationen optimiert wurden, heißen Digital Signal Processors (DSPs). Der Peavey DPM-3 von 1990 war der erste kommerziell verfügbare Synthesizer, der komplett auf Standard-DSPs beruhte. Das Instrument war 16-stimmig polyphon und basierte hauptsächlich auf drei Motorola 56001 DSPs. Es besaß einen integrierten Sequenzer und eine Sample-basierte subtraktive Synthese mit Werks-Presets und anwenderdefinierbaren Samples.

Eine andere Lösung bestand im Design von Synthesizern als Computer-Peripherie. Die zunehmende Verbreitung von PCs beginnend mit den frühen 1980ern verlieh diesem Ansatz auch einen wirtschaftlichen Sinn. Der Passport Soundchaser und der Syntauri alphaSyntauri waren die ersten Vertreter dieses Konzepts. Beide beruhten auf einer Prozessorkarte mit einer daran angeschlossenen Musiktastatur. Die Prozessorkarte wurde in einen Apple II Computer gesteckt. Die Synthesizer wurden über Apple-Tastatur und -Monitor programmiert. Sie waren polyphon, hatten programmierbare Wellenformen, Hüllkurven und Sequenzer. Die modernen Soundkarten, die seit 1989 in unzähligen Varianten erscheinen, folgen diesem Konzept bis heute.

Die Ausnutzung der stetig weiter wachsenden verfügbaren Rechenleistung führte zum nächsten Schritt der Evolution, dem Software-Synthesizer, der als Programm auf einem Host-Computer läuft.

Die Soundkarte (oder die eingebaute Audiohardware) wird nur noch für die Audioein- und -ausgänge benötigt. Der gegenwärtige Prozess der Klangerzeugung, Effektbearbeitung, Aufnahme und des Sequencing wird von der CPU Ihres Computers vollzogen – mit der MainStage-Software und den enthaltenen Instrumenten.