Weitere Synthese-Methoden

Es gibt viele Verfahren, Klänge elektronisch zu erzeugen, und es gibt mehrere Synthese-Prinzipien. Dieser Abschnitt deckt alle Methoden ab und bezieht sich dabei auf die entsprechenden Instrumente in Logic Pro.

Viele der dargestellten Verfahren integrieren die bereits beschriebenen Prinzipien der subtraktiven Synthese in ihren Ansatz. Der verbreitetste Ansatz beruht auf Samples akustischer oder elektrischer Instrumente und ihrer Klänge, die an die Stelle der einfacheren Oszillatoren subtraktiver analoger Synthesizer treten.

Sample-basierte Synthese

Die Sample-basierte Synthese wird zuweilen auch als Pulse Code Modulation (PCM) oder Sampling and Synthesis (S&S) bezeichnet und beruht auf der einfachen Idee, die simplen Wellenformen analoger Synthesizer durch die komplexen Wellenformen anderer Musikinstrumente zu ersetzen, die man mittels Sampling erfassen kann.

Samples sind digitale Aufzeichnungen bestehender Schallereignisse, die auf der Tastatur skaliert werden. Typischerweise wird ein Sample einer Tastaturzone zugewiesen, die beispielsweise fünf Noten umfasst. Der Grund dafür besteht darin, dass bei weiteren Transpositionen der resultierende Klang mit dem Original nicht mehr viel gemein hat. Bei Samples hängt die Abspielgeschwindigkeit nicht nur mit der Dauer sondern auch mit der Frequenz in direktem Zusammenhang.

Die Frequenz des Samples kann daher nicht einfach mit einem Pitch-Regler nach Belieben verändert werden, zumindest nicht ohne Änderungen bei der Dauer und Klangfarbe hinzunehmen. Wenn man ein Sample langsamer abspielt, um die Tonhöhe nach unten zu transponieren, dauert naturgemäß auch die Wiedergabe länger. Und ein doppelt so schnell wie im Original abgespieltes Sample klingt nicht nur im gesamten Spektrum eine Oktave höher, sondern ist auch nach der halben Zeit vorbei.

Der EXS24 mkII ist ein Sample Player, der dank seiner subtraktiven Synthese-Elemente wie so ein Sample-basierter Synthesizer eingesetzt werden kann.

Zu den vielen Instrumenten, die diesen Ansatz verfolgen, zählen auch der Korg M1, O1/W und Triton, die Roland JV/XP- oder Fantom-Serien und Yamahas Motif-Familie.

Frequenzmodulation (FM-Synthese)

Die FM-Synthese bedient sich einer Modulations-Oszillators und eines Carrier-Oszillators. Der Modulator moduliert die Frequenz des Carriers mit hoher, im Hörbereich liegender Frequenz, wodurch neue Obertöne entstehen. Diese Obertöne werden auch als Seitenbänder bezeichnet.

Figure. FM synthesis diagram showing the waveforms of the modulator and carrier oscillators and the resulting waveform of frequency moduklation between the oscillators.

FM-Synthesizer verfügen normalerweise nicht über ein Filter. Manche Klangresultate erinnern an subtraktive Synthesizer-Klänge, aber die Nachbildung von Filter-Resonanzeigenschaften ist kaum möglich. Die FM-Synthese spielt ihre Stärken aber voll aus, wenn es an die Emulation von glockigen Klängen, metallischen Tönen und insbesondere E-Pianos geht. Eine andere Stärke sind knackige Bässe und Bläser.

MainStage enthält einen einfachen FM-Synthesizer, den EFM1. Trotz seines minimalistischen Konzepts kann er viele Klänge der legendären Yamaha-FM-Synthesizer nachahmen. Der von 1983 bis 1986 hergestellte Yamaha DX7 ist einer der erfolgreichsten Hardware-Synthesizer überhaupt.

Der ES2 bietet auch einige FM-Techniken, mit denen ein Oszillator mittels eines anderen Oszillators moduliert werden kann. Sie können die FM-Synthese-Techniken nutzen, um ein Brücke zwischen den "digital" klingenden FM-Sounds und den "fetten" analog klingenden Sounds des ES2 zu schlagen.

Component-Modeling-Synthese

Auch als Physical Modeling bekannt, nutzt dieser Synthese-Ansatz mathematische Modelle, um die physischen Eigenschaften von Musikinstrumenten zu simulieren. Die Parameter beschreiben die physischen Abmessungen und Materialeigenschaften und sogar das Medium, in dem sie gespielt werden, also ob in der Luft oder unter Wasser. Ebenso wichtig sind Beschreibungen, wie der Spieler mit dem Instrument interagiert, also ob es gezupft, gestrichen oder angeblasen wird, ob es angeschlagen oder mit Sticks getrommelt wird.

Für ein Modell eines Trommelklangs müssten beispielsweise die folgenden Aspekte berücksichtigt werden. Maßgeblich ist zunächst der Anschlag, also ob ein Stick, ein Filzschlegel oder was auch immer zur Schwingungsanregung verwendet wird. Die Eigenschaften des Trommelfells betreffen das Membran-Material, die Spannung und Steifigkeit, die Dicke und den Durchmesser sowie die Art, wie sie am Kessel befestigt ist. Auch das Volumen des Kessels und die Resonanzeigenschaften all dieser Faktoren müssten mathematisch beschrieben werden.

Für das Modell einer Violine muss der Druck des Bogens auf die Saite berücksichtigt werden, die Bogenbreite, sein Material, die Bogenspannung, Saitenmaterial und -dichte, die Resonanzeigenschaften – und nicht zuletzt die komplexen Resonanzeigenschaften des Korpus. Weiterhin müsste man die Spielweise mit den Fingern auf dem Griffbrett berücksichtigen.

Der Component-Modeling-Synthesizer in Sculpture produziert überzeugende Simulationen elektrischer und akustischer Instrumente. Eine weitere Stärke sind atmosphärische, sich immer weiterentwickelnde Flächen. Weitere im Programm enthaltene Instrumente mit Komponenten und Verfahren des Physical Modeling sind Ultrabeat, EVP88, EVB3 und EVD6.

Wavetable-, Vector- und Linear-Arithmetische (LA) Synthese

Die Wavetable-Synthese bedient sich einer größeren Anzahl von Wellenformen mit einem einzigen Zyklus, die tabellenartig in einem sogenannten Wavetable angeordnet sind.

Durch Spiel auf der Tastatur löst man eine voreingestellte Sequenz von Wellenformen aus. Da die Eigenschaften der Wellenformen in der Tabelle nahtlos ineinander übergehen, gibt es kein ruckartiges Umschalten, sondern weiche Übergänge. Zudem können mehrere Wavetables simultan verwendet werden – nacheinander oder mit Überblendungen, sodass sich noch komplexere Wellenformen ergeben.

Eine einzelne Wavetable kann für sich den Schließvorgang eines Filters repräsentieren und so Effekte wie beim subtraktiven Synthesizer erzeugen.

Die Wavetable-Synthese ist nicht gerade ideal, um akustische Instrumente nachzuahmen. Aber sie ist großartig, wenn es um sich langsam entwickelnde Flächen, perkussive und metallische Sounds wie Glocken und dergleichen geht, die spektakuläre Metamorphosen durchführen.

Die Wavetable-Synthese ist untrennbar mit den Namen der Synthesizer-Hersteller PPG und Waldorf verbunden. Der ES2 verfügt ebenfalls über Wavetables.

Das Verfahren der Synthesizer der Roland LA-Familie (Linear Arithmetic) arbeitet ähnlich. In diesen Synthesizern werden komplexe Attack-Phasen mit stationären Samples für die Sustain-Phasen kombiniert. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um eine einfache Wavetable mit nur zwei Samples.

Ein Unterschied zwischen beiden Konzepten besteht darin, dass die Wavetable-Synthesizer mehr für originäre synthetische Sounds konzipiert wurden als für authentische Simulationen konventioneller Instrumente. Die Designer der LA-Synthesizer hatten das Ziel, mit möglichst wenig Speicherplatz viel Realismus zu erzielen. Dazu wurden die kritischen Attack-Phasen mit großer Genauigkeit gesampelt, wohingegen die quasi-stationäre Phase mit statischen Wellenformen realisiert wurde.

Die Vector-Synthese, die im Sequential Circuits Prophet VS und in der Korg Wavestation realisiert wurde, erlaubt die Bewegung durch zweidimensionale Wavetables mithilfe eines zweidimensionalen Echtzeit-Controllers (XY-Modulator). Die Balance zwischen Samples und konventionellen Wellenformen konnte in Echtzeit mit einem Joystick gesteuert werden. Mit dem ES2 können Sie etwas Ähnliches realisieren, indem Sie das Oscillator-Mix-Dreieck mit der Vector Envelope modulieren.

Additive Synthese

Die additive Synthese steht ganz im Gegensatz zum subtraktiven Konzept. Näheres finden Sie am Anfang dieses Anhangs, einschließlich einer Erörterung, dass alle Klänge als Summe von (Sinus-)Partialtönen aufgefasst werden können.

Insofern kann man Klänge synthetisieren, indem man Sinustöne unterschiedlicher Frequenzen und mit unterschiedlichen Pegeln zusammenmischt. Je mehr Sinustöne addiert werden, desto reicher das Obertonspektrum. In den meisten additiven Synthesizern wird jeder Satz Sinuswellen wie ein Oszillator aufgefasst.

Je nach Komplexität des additiven Synthesizers verfügt jeder Sinus-Partialton über einen eigenen Hüllkurvengenerator. Manchmal sind die Sinustöne aber auch zu Gruppen zusammengefasst.

MainStage enthält keinen echten additiven Synthesizer, jedoch werden bestimmte Aspekte der additiven Synthese in der EVB3 und allen anderen Zugriegelorgeln verwendet. In der EVB3 gehen Sie auch von Sinustönen aus, die mit den Zugriegeln zusammengemischt werden. Die Pegelverhältnisse werden mit den Zugriegeln ("Drawbars") geregelt. Da es aber keine Hüllkurven gibt, ist das Konzept nur für eine Orgel-Simulation geeignet.

Resynthese

Man kann die Frequenzanteile eines aufgezeichneten Sounds analysieren und dann im Zuge einer automatisierten additiven Synthese rekonstruieren. Durch Berechnung aller Frequenzen und Amplituden aller Partialtöne nebst Hüllkurven kann ein getreues Abbild des Originals entstehen.

Nach der Resynthese hat man aber die Möglichkeit, in die Abläufe und Pegel jeder Harmonischen einzugreifen. Dadurch könnte man einen harmonischen Klang beispielsweise in einen unharmonischen verwandeln.

Phase-Distortion-Synthese

Die Phase-Distortion-Synthese erzeugt verschiedene Wellenformen durch die Modulation des Phasenwinkels einer Sinuswelle.

Im Grunde genommen lässt sich eine Sinuswelle so verbiegen, dass sie als Sägezahn, Dreieck oder Rechteckwelle oder Ähnliches daherkommt. Die Synthesizer-Engine folgt dabei hinsichtlich ihrer Bedienung dem subtraktiven Konzept.

Die Phase-Distortion-Synthese erlebte ihre Markteinführung 1984 mit der Casio-CZ-Serie.

Granularsynthese

Die Prämisse der Granularsynthese ist, dass Sound in viele kleine Partikel ("Körner" oder "Grains") zerlegt werden kann. Diese gesampelten Körner, die nicht länger als 10 bis 50 ms dauern, können umgeschoben oder mit Grains anderer Klangquellen neu kombiniert werden.

In vielerlei Hinsicht ähnelt der Ansatz der Wavetable-Synthese, aber mit mehr Details. Wie Sie sich denken können, ist dieser Ansatz sehr gut geeignet, um einzigartige, sich langsam entwickelnde Klänge zu kreieren.

Der Nachteil besteht darin, dass die Granularsynthese sehr viel Prozessorleistung beansprucht, sodass es lange keine befriedigende Echtzeitlösung gab. Aus diesem Grunde wurde sie außerhalb des akademischen Kontexts noch nicht viel beachtet. Moderne Computer liefern jetzt aber die erforderliche Rechenleistung und mittlerweile gibt es auch eine Reihe interessanter kommerzieller Lösungen.