Additive Synthese mit Zugriegeln

Die Hammond B3 ist die klassische Zugriegelorgel (Drawbar Organ). So wie bei einer Pfeifenorgel die Pfeifenregisterzüge herausgezogen werden, damit sie klingen, werden auch bei der Zugriegelorgel die Register gezogen, damit diese klingen. Im Gegensatz zur Pfeifenorgel erlaubt die elektromechanische Orgel aber ein praktisch stufenloses Mischen der Register. Je näher Sie die Zugriegel zu sich heran ziehen, desto lauter klingen die entsprechenden Chöre.

Abgesehen von den charakteristischen Unzulänglichkeiten der B3 wie Klicks, variable Intonation, Verzerrung und Übersprechen, die auch von der EVB3 simuliert werden, erklingt ein reiner Sinuston, wenn man nur einen Zugriegel zieht und nur eine Note spielt. Das Mischen von Sinustönen führt zu komplexeren harmonischen Klängen und ist unter dem Begriff "Additive Synthese" bekannt. Orgeln, auch Pfeifenorgeln, lassen sich daher als additive Synthesizer betrachten. Allerdings bringen Orgeln manche Beschränkungen und Eigenarten mit sich. Diese Eigenarten prägen jedoch den Charakter eines lebendigen Instruments.

Die Bezeichnungen der einzelnen Zugriegel sind Längenangaben in Fuß (') und beziehen sich auf die Länge der Orgelpfeifen. Die Bezeichnungen dieser Oktavlagen haben sich bis heute auch bei elektronischen Musikinstrumenten gehalten.

Zu dem tiefsten Register 16' (ganz links, brauner Zugriegel) gesellen sich die höheren Oktaven 8', 4', 2' und 1' (weiße Zugriegel). 16' wird oft als Suboktave bezeichnet. Wird dieses Register jedoch als Grundton oder erste Harmonische aufgefasst, ist die Oktave 8' die zweite Harmonische, 4' die vierte Harmonische, 2' die achte Harmonische und 1' die sechzehnte Harmonische.

Mit dem Register 5 1/3', dem zweiten braunen Zugriegel von links, kommt die dritte Harmonische hinzu: die Quinte über 8'. Eigentlich sind die Zugriegel der Tonhöhe nach geordnet, es gibt jedoch eine Ausnahme. Der zweite Zugriegel (5 1/3') klingt eine Quinte höher als der dritte Zugriegel. Die Erklärung hierzu finden Sie unter Der Residualeffekt.

Das 2 2/3'-Register erzeugt den sechsten Partialton, 1 3/5' den zehnten und 1 1/3' den zwölften.

Eine elektromechanische Tonradgenerator-Orgel verfügt über diese Register: 1 (16'), 2 (8'), 3 (5 1/3'), 4 (4'), 6 (2 2/3'), 8 (2'), 10 (1 3/5'), 12 (1 1/3') sowie 16 (1'). Sie sehen also, dass die Partialtonreihe, die mit der Zugriegelorgel gemischt werden kann, alles andere als vollständig ist. Dies ist einer der Hauptgründe, warum gern Verzerrer-Effekte bei der Orgel eingesetzt werden. Sie reichern das harmonische Spektrum an.

Hinweis: 2 2/3' ist die Quinte über 4'. 1 3/5' ist die große Terz über 2'. 1 1/3' ist die Quinte über 2'. Insbesondere in den tiefen Lagen kann dieses Register zu harmonischen Reibungen führen, gerade bei Basslinien in Moll. Das Mischen von 2', 1 3/5' und 1 1/3' ergibt nämlich einen Dur-Dreiklang.